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Wirtschaft in die Verfassung? Ja, aber nicht so!

Österreichisches Parlament. Quelle: Wikipedia.Österreichisches Parlament. Quelle: Wikipedia.

Die österreichische Bundesregierung plant, Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in der Verfassung zu verankern. Dahinter stecken ein tiefgehend falsches Verständnis von Wirtschaft sowie die Anmaßung, im Parlament auch grundsätzliche Veränderungen der Verfassung zu beschließen.

 

1. Wirtschaftswachstum ist als Staatsziel sinnlos.

Wirtschaft ist kein Selbstzweck: Sie ist dazu da, um Güter und Dienstleistungen zu produzieren, die wiederum die Bedürfnisse der Menschen befriedigen. Wirtschaftswachstum ist daher nur sinnvoll, solange nicht genügend Güter und Dienstleistungen verfügbar sind. Somit könnte „eine funktionierende Wirtschaft, die die Bedürfnisse der Menschen befriedigt“ Staatsziel sein – aber nicht ewiges Wachstum.

 

2. Einwettbewerbsfähiger Standortist als Staatsziel sinnlos.

Wettbewerbsfähig sindjene Standorte, an denen Konzerne günstig produzieren können. Staaten können mit niedrigen Umwelt- und Sozialstandards sowie günstigen Steuersätzen für Konzerne punkten – auf Kosten von Natur und Gesellschaft. Ein möglichst wettbewerbsfähiger Staat steht somit in Konflikt zu einem Staat, in dem das Wohl seiner Bürger*innen an oberster Stelle steht.

 

3. Beschäftigung ist als Staatsziel sinnlos.

Auch Beschäftigung ist kein Selbstzweck. Der Staat hat Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Menschen ermöglichen, das zu tun, was sie gerne tun möchten. Wenn der Staat das gut macht, wird sich daraus eine Wirtschaft entwickeln, die zum Wohle der Allgemeinheit funktioniert – ohne Menschen mit irgendwelchen sinnlosen Tätigkeiten zu „beschäftigen“.

 

4. Die Ökonomie ist nicht gleich wichtig wie die Ökologie.

Eine intakte Natur ist Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft – und diese wiederum Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft. Das bedeutet, dass die Wirtschaft alles zu unterlassen hat, was Natur und Gesellschaft schadet – und dass sie sich mit anderen Subsystemen wie Bildung, Kunst oder Wissenschaft abzugleichen hat, die genauso wichtige Beiträge zu einer funktionierenden Gesellschaft leisten.

 

5. Das Parlament soll keine Staatsziele festlegen.

Die Staatsziele sind in der Verfassung verankert und haben daher massiven Einfluss auf die gesamte Rechtsprechung. Eine Veränderung der Staatsziele müsste daher eine grundlegende Verfassungsänderung darstellen und wäre somit einer Volksabstimmung zu unterziehen. Eine willkürliche Entscheidung des Parlaments trotz eines faktenbasierten Widerstands würde hingegen das Vertrauen in die repräsentative Demokratie weiter verringern.

 

Schlussfolgerung: Erst breit diskutieren, dann gemeinsam entscheiden.

Wirtschaftswachstum, ein wettbewerbsfähiger Standort und Beschäftigung sind als Staatsziele sinnlos. Sie führen dazu, dass Wirtschaften auf Kosten von Mensch und Natur durch die Verfassung gedeckt wird – jene Verfassung, die eigentlich das Allgemeinwohl garantieren sollte.

Um Wirtschaft sinnvoll als Staatsziel zu verankern, bräuchte es eine breite, faktenbasierte Diskussion, die letztlich in einer Volksabstimmung mündet. Dann könnten die Menschen selbst bestimmen, welche Wirtschaft sie wollen.

 

Christian Kozina, Sprecher der Gemeinwohl-Ökonomie